Mut und ich

Sich dem Leben und den damit verbundenen Herausforderungen zu stellen, dazu gehört eine Menge Mut. Das ist den meisten vermutlich gar nicht so bewusst, ebenso wie mir früher. Bis mein damaliger Chef im Dezember letzten Jahres zu mir sagte, ich hätte in diesem Jahr viel Mut bewiesen. Mut?! Irgendwie war das ein Charakterzug, den ich mir noch nie groß zugeschrieben habe. Bin ich im letzten Jahr besonders mutig gewesen?

Rückblickend war es sicherlich mutig, dass ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen und bei den entsprechenden Stellen auf Missstände hingewiesen habe. Dadurch konnten diese Missstände analysiert und verändert werden. Doch die Übergangszeit, bis die Situation von neutraler Seite analysiert und von den Vorgesetzten verändert wurde, war für mich eine Zeit voller Anstrengungen und Zweifel. Aber mir war es wichtig, auf diese Missstände hinzuweisen, damit sich etwas ändern kann.

Ein Beispiel für Mut, laut meines Vorgesetzten, war folgende Situation:

Wenn wir Leitungskräfte uns einmal im Monat zum Austausch treffen, wird zu Beginn des Termins ein Text als Impuls vorgetragen. Ich hatte einen kritischen Text zum Thema “Führungskräfte“ vorbereitet. Diesen Text hatte ich bereits im Vorfeld Kollegen und Familie vorgelesen, um sie nach ihrer Meinung zu fragen. Fast alle meinten, dass der Text zu kritisch sei und leicht missverstanden werden könne. Verunsichert habe ich den Text trotzdem vorgetragen und alle fanden den Text gut. Auch hier hatte ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen und Mut bewiesen.

Okay, vielleicht bin ich wirklich mutig in solchen Dingen. Aber es braucht Menschen, die auch unliebsame Themen ansprechen, wie zum Beispiel seltene Krankheiten. Wenn wir nämlich immer alle schweigen, dann verändert sich auch nichts. Dann können wir uns auch nicht mit Gleichgesinnten austauschen und nichts verändern. Also braucht es wohl auch Mut, sich dieser Genmutation zu stellen. Mut, etwas verändern zu wollen und sich nicht einfach einem System zu beugen.

Ihre Doris

April 2020