Achtsamkeit und ich

In den letzten Jahren hat das Thema Achtsamkeit immer mehr Bedeutung in unserer Gesellschaft bekommen. Ich war fast vierzig Jahre lang der festen Überzeugung, dass ich ein sehr achtsamer Mensch bin. Ich dachte immer, ich bin ein total achtsamer Mensch. Schließlich fällt mir unter anderem auch auf, wenn Kollegen neue Kleidung oder Schuhe anhaben. Wenn ich in einen Raum komme, dann nehme ich sehr schnell viele Kleinigkeiten wahr. Wenn ich draußen in der Natur unterwegs bin, dann fallen mir oftmals Veränderungen auf, die seit dem letzten Mal anders sind als vorher. Das, was ich beschrieben habe, beschreibt allerdings den Begriff der Aufmerksamkeit. Achtsamkeit bedeutet jedoch, die Aufmerksamkeit mit sich selbst.

Doch wie ist man aufmerksam sich selbst gegenüber? Man soll auf seine innere Stimme hören. Okay, klar…innere Stimme hören! Nur wie geht das? Meine innere Stimme ist eher ein Kritiker, mit dem ich Zwiegespräche führe. Oder mit der ich bei wichtigen Entscheidungen die Möglichkeiten miteinander vergleiche und abwäge. Also wie soll mir meine innere Stimme helfen, achtsam mit mir selbst zu sein?

In den letzten Monaten habe ich viele meiner Handlungen und Verhaltensmuster mit anderen reflektiert. Irgendwann hat es dann “Klick“ gemacht, und ich habe endlich verstanden, was mit Achtsamkeit gemeint ist. Achtsamkeit bedeutet, in seinem Verhalten kurz inne zu halten und mit sich selbst zu prüfen, wie es einem in genau diesem Augenblick geht. Wie fühle ich mich gerade? Fühle ich mich gut oder schlecht? Wieso fühle ich mich so? Habe ich mich über das Verhalten von jemand geärgert oder habe ich gerade jetzt ein schönes Erlebnis? Wichtig ist, sich selbst zu spüren bzw. bewusst zu merken, wie es einem geht.

Das hört sich jetzt ziemlich einfach an, oder? Sicherlich fällt es einigen Menschen leicht mit sich achtsam zu sein und anderen eben nicht. Mir fiel es bisher nicht leicht. Vermutlich bin ich deshalb so stolz, dass ich es endlich verstanden habe. Das ich mittlerweile meine innere Stimme hören und verstehen kann. Natürlich fällt es mir immer noch etwas schwer, meine innere Stimme bewusst wahrzunehmen. Vielleicht hat die Zeit mit Corona auch ihren Beitrag dazu geleistet, dass es hin und wieder funktioniert?

Für mich kann ich auf jeden Fall feststellen, dass ich jahrelang Aufmerksamkeit mit Achtsamkeit verwechselt habe. Doch gerade als Genträger*in ist ein achtsamer Umgang mit sich selbst und seinem Körper sehr wichtig. Deshalb möchte ich all denen, denen es so geht wie mir früher, Mut machen. Achtet auf euch, haltet hin und wieder inne und fragt euch, wie es euch genau in diesem Moment geht. Diese kleinen Schritte sind bereits sehr hilfreich auf unserem Weg mit Huntington.

Eure Doris

Juli 2021