Tag der seltenen Erkrankungen 2024

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Tag der Seltenen Erkrankungen 2024

Am 29. Februar 2024 ist wieder "Rare Disease Day" – ein Tag, der darauf aufmerksam macht, wie wichtig es ist, sich mit seltenen Krankheiten auseinanderzusetzen. Das Motto dieses Jahres lautet: „Selten sind Viele. Gemeinsam sind wir stark und selbstbewusst.“

Betroffene von seltenen Erkrankungen benötigen dringend mehr Aufmerksamkeit, Forschung, Therapien sowie einen gleichberechtigten Zugang zu Diagnose, Pflege und Behandlung. Es ist an der Zeit, dass wir als Gesellschaft uns stärker engagieren und für mehr gesellschaftliche Anerkennung und Teilhabe kämpfen.

Machen Sie mit:

Wir, die Huntington-Community, möchten Ihre Geschichte hören! Sie haben bei der Diagnose oder Behandlung der Huntington-Krankheit gespürt, wie selten diese Krankheit ist und wie es an Versorgung mangelt? Teilen Sie Ihre Meinung und Geschichte mit uns und lassen Sie uns gemeinsam aufklären und unterstützen.

Schicken Sie uns Ihre Erfahrungen sowie ein Foto von Ihnen an socialmedia@dhh-ev.de und helfen Sie dabei, die Stimmen der Betroffenen zu Gehör zu bringen. Gemeinsam können wir mehr Bewusstsein schaffen und die Situation für Menschen mit seltenen Krankheiten verbessern. 

Melden Sie sich über socialmedia@dhh-ev.de!

 

Das offizielle RDD-Video ist in über 60 Sprachen untertitelt und kann hier angesehen werden: https://www.youtube.com/watch?v=zEQ828Lkxac

Internationale Seite der Kampagne:

Ein breites Spektrum an Ressourcen wie Social-Media-Beiträge, Poster, Informationspakete, Toolkits, Faktenblätter, Infografiken und vieles mehr sind unter folgendem Link verfügbar: https://www.rarediseaseday.org/downloads/

Geschichten zum Rare Disease Day 2024

"Im März 2013 erhielt meine Mutter die erschütternde Diagnose Huntington. Plötzlich verschob sich alles, und meine Gedanken kreisten um die 50%ige Wahrscheinlichkeit, dass auch ich erkranken könnte. Damals stand ich kurz vor meinem Uni-Abschluss, aber die Aussicht auf eine mögliche Erkrankung warf alles in Frage. 2016, im Alter von 26 Jahren, entschied ich mich schließlich für den Test, da die Ungewissheit unerträglich wurde. Glücklicherweise war das Ergebnis negativ. Dennoch war der Leidensweg meiner Mutter schwer.

Ende 2021 erlitt mein Vater eine Hirnblutung, und meine Mutter war zu diesem Zeitpunkt bereits auf häusliche Pflege angewiesen. Bei spontanen Ausfällen von Angehörigen gibt es keinen Alternativplan. Pflegeheimplätze haben lange Wartelisten und auch die mobile Pflege stößt bei spontanen Anfragen an ihre Grenzen. Die Suche nach einem Platz war mühsam, aber letztendlich fand sie ein Heim in Hannover. Nur wenige haben gewusst, was die Krankheit für Herausforderungen mit sich bringt. Anfangs musste man die Symptome und Bedürfnisse erklären. Immerhin haben die Pfleger*innen ihr Bestes versucht und haben sich rührend um sie gekümmert. Der Verlust meiner Mutter im Dezember 2023 war ein harter Schlag.

Ihr Tod markierte das Ende einer langen Familiengeschichte mit Huntington. Ich persönlich bin für die prädiktive Untersuchung, um potenzielle Belastungen für die Familie zu vermeiden. Es ist traurig, dass Huntington oft noch so unbekannt ist, und Betroffene sich ständig rechtfertigen müssen."

"Alles begann 1991, als meine Mutter während eines Umzugs an einen neuen Wohnort einen Hörsturz bekam. Ihr Gehör kehrte vollständig zurück, doch etwas blieb verloren. Mobbingerfahrungen in der Schule und offene Anfeindungen und Ausgrenzung im Ort, in dem mein Vater eine gewisse öffentliche Aufgabe hatte. Die Folge für meine Mutter waren Schlafstörungen. Nächte wurden zu Tagen, Tage zu Nächten und das Schlafen-wollen-und-nicht-können wurde zur Qual. 

Auf kleine Hoffnungsschimmer folgten große Niederschläge. Konnte sie damit zum Arzt gehen? Durfte man Depressionen haben? Meiner Mutter wurden Medikamente verschrieben und eine Psychotherapie wurde durchgeführt, ohne eine Besserung zu erreichen. 
1997 kam der völlige Zusammenbruch. Wieder ein Krankenhausaufenthalt, ohne dass etwas gefunden wurde. Die unwillkürlichen Grimassen? Die ruckhaften Bewegungen, die immer mehr zunahmen? Waren halt da und wurden als Folge der vielen und starken Medikamente gedeutet. Schließlich hatten dieselben Medikamente bereits den Magen und den Darm ruiniert.

Auf ein paar Überbewegungen kam es da nicht mehr an. Ende 2021 war sie wieder beim Arzt. Leider bewies dieser Arzt, dass er für seinen Beruf keinerlei menschliche Eignung, sondern nur eine fachliche Eignung brauchte. Doch sagte er zum ersten Mal einen Begriff, den sie bis dahin noch nie gehört hatte: „Chorea Huntington“. Es wurde ein Gentest gemacht. Meine Tante, selber bereits tödlich an Krebs erkrankt, suchte und fand im Internet die DHH und sammelte Informationen zu der Krankheit. Dann das Ergebnis, mit dem keiner gerechnet hatte. Es war positiv. Nach 30 Jahren (!!!) eigener und ärztlicher Ratlosigkeit wurde das Diffuse greifbar und bekam die Krankheit einen Namen: Huntington."
 

"Wir sind die Familie Wurzel/Winter. Wir, das sind unsere beiden Mädels (6,1), mein Freund Michael, meine Eltern Karola und Dieter und ich, Katja. Als mein Vater selbst merkte, dass er mit seinen Symptomen nicht mehr so weitermachen konnte, suchte er Hilfe bei seinem Hausarzt. Dieser vermutete sofort, um was es ging, und überwies ihn in die Klinik. Dort wurde neben anderen Tests auch ein Gentest gemacht, welcher Ende 2018 positiv ausfiel. Die Genetik in Homburg hat ihn sehr gut betreut. Meine Mutter hat sich sehr schnell bei der Deutschen Huntington Hilfe gemeldet und informiert, was sie jetzt alles machen kann und welche Unterstützung ihnen zusteht.

Mein Gentest (2019) verlief leider nicht so gut. Der erste Termin war kein wirklicher Mehrwert. Der Arzt sagte auch, dass ich mich wohl besser auskenne als er und dass er nicht einmal wisse, wo man sich informieren könne. Zum Höhepunkt kam es dann am Tag der Blutabnahme, als niemand meinen Termin auf dem Schirm hatte und wir fast drei Stunden warten mussten, bis sich jemand fand, der mir Blut abnehmen durfte. Nach all dem war der Test dann auch noch positiv.

Ich denke, es wäre gut, wenn Ärzte sich, trotz knapper Zeit, etwas mit den Krankheiten ihrer Patienten auseinandersetzen würden, bevor sie in ein Beratungsgespräch gehen, wenigstens um auf Selbsthilfegruppen oder Vereine zu verweisen. Als Fazit muss man sagen, dass wir gut vernetzt sind, dank der Deutschen Huntington Hilfe, und möchten die Möglichkeiten nutzen, um sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen, Gesicht zu zeigen und zu enttabuisieren."

"Ich bin Christian, 45 Jahre alt und seit 17 Jahren an Huntington erkrankt. Die Krankheit wird bis heute oft totgeschwiegen, was ich nicht gut finde, selbst in der Familie! 2006 haben wir per Zufall in der Familie erfahren, dass mein Opa die Krankheit hatte. Keiner in der Familie ahnte etwas davon. Ich ging psychisch durch die Hölle, da ich nicht wusste, was es genau war und ob ich die Krankheit auch bekommen konnte. Zu diesem Zeitpunkt war ich in Trennung und hatte bereits 3 Kinder. Bis 2007 war ich x-mal in der LVR-Klinik. Dort machte man dann den Test. Weder vor dem Test noch beim Test gab es eine Beratung. Auch später bei der Übergabe des Ergebnisses kam es zu keiner Beratung. Da ich allein war, habe ich mehrfach versucht, mir das Leben zu nehmen. 2011 kam ich endlich in ein HK-Zentrum. Seitdem bin ich gut eingestellt.

Probleme gibt es viele: die Suche nach dem richtigen Neurologen, nach Therapeuten, die die Krankheit kennen und auch noch Termine haben. Hilfe vor Ort (Behörden, Pflegeberatung, die wirklich berät), Teilhabe am Leben -> niemand ist dafür zuständig, man wird allein gelassen. Häufig muss man sich auch anhören: „Der ist ja besoffen“ – „Guck mal, wie der geht“ – „Der isst aber komisch, da setz ich mich nicht daneben“. Man wird oft belächelt, manchmal auch ausgelacht. Es tut manchmal echt weh, so in der Öffentlichkeit wahrgenommen und behandelt zu werden.

Ich wünsche mir Akzeptanz und weniger Hürden in der Pflege – ob wie bei mir zuhause oder stationär – und bei Ansprechpartnern vor Ort.

Ich selbst bezeichne mich als einen HK-Kämpfer mit Herz ❤️‍🔥"

"Als wir im Januar 2014 die Diagnose Huntington bei Klaus bekamen, machten wir uns auf die Suche nach einem Neurologen, der sich mit der Krankheit auskennt. Wir wurden von der Universitätsmedizin Mainz an einen empfohlen, der sich gerade neu niedergelassen hatte, und Klaus war vermutlich sein erster Huntington-Patienten.

Menschlich passte es sehr gut, aber wir mussten ihm bei den vierteljährlichen Besuchen viel von den Symptomen und den Herausforderungen im Alltag der HK erzählen. An die medikamentöse Einstellung haben wir uns durch meine genaue Schilderung der Probleme herangetastet. Er wurde über die Jahre mit vielen Informationen durch uns für die Huntington-Erkrankung sensibilisiert und durch sein wachsendes Interesse, würde ich ihn jetzt als erfahrenen Kenner der Krankheit empfehlen können.

Leider oder auch Gott sei Dank ist er mit uns älter geworden und wir müssen uns in absehbarer Zeit erneut auf die schwierige Suche nach einem Neurologen mit Erfahrung bei der HK machen. Leider fehlt es sowohl bei der ärztlichen als auch bei der pflegerischen Versorgung in vielen Landesteilen nach wie vor an Fachärzten und spezialisierten Heimen. Noch kann ich mit Unterstützung der Kinder und von Freunden Klaus zu Hause versorgen. Wenn irgendwann ein Heimplatz nötig wird, mache ich mich auf eine lange, verzweifelte Suche gefasst.

Wir Huntington-Familien müssen uns zeigen, unsere Geschichten erzählen und erreichen, dass man unsere erkrankten Familienmitglieder, so schwierig sich die Erkrankung darstellen kann, als Teil einer vielfältigen Gesellschaft wahrnimmt und Versorgungsprobleme nicht übermächtig werden lässt. Danke an die DHH, die uns Betroffene zusammenbringt und uns mit Rat und Tat zur Seite steht."

"Hallo, mein Name ist Sandra. Ich bin 37 Jahre alt und seit circa 6 Jahren an Huntington erkrankt. Ich war 5 Jahre lang bei der falschen Neurologin, die die beginnenden Symptome immer wieder auf meine Psyche zurückgeführt hat.

Zu meinem großen Glück fand ich dann eine sehr versierte Neurologin, die endlich erkannt hat, dass Huntington bei mir bereits im Gange war. Zuerst erhielt ich Physio-, Logo- und Ergotherapie. Und nach einem halben Jahr Arbeiten nach der Diagnose hat sie mich ohne Wenn und Aber aus der Arbeit genommen.

Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Lebensbereiche hinzu, die betroffen waren, und nach circa 2 Jahren ging ich dann in Erwerbsminderungsrente.

Was wirklich frustrierend ist:

Ich hatte mich von ganzem Herzen auf meinen Rollstuhl gefreut. Ich dachte, dass ich dann nicht mehr so von meiner Familie abhängig wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Die Straßenverhältnisse in den meisten Städten sind einfach nur traurig. Ich habe mir viele Wunden zugezogen und habe richtige Angst, aber da muss ich mich durchkämpften.

Worunter ich aber am meisten leide, ist, dass mir manche Menschen nicht zutrauen, eine liebevolle Mutter zu sein. Weil ich eben stark mit Demenz zu kämpfen habe, vergesse ich auch viele Termine usw. Und das wird dann immer als komplett unzuverlässig angesehen, ohne mal nachzufragen, WARUM das so ist.

Wir alle haben uns diese Krankheit nicht ausgesucht. Und wir sollten uns auch nicht dafür schämen, was Huntington aus uns macht. Aber die Gesellschaft bringt einen dazu. Und das ist eigentlich das wahre Leid."