Huntington Selbsthilfegruppe Duisburg

Dr. Lange zu Besuch in der Duisburger Gruppe

Auf dieses Treffen haben die Mitglieder der Duisburger Gruppe lange gewartet. Am Samstag, den 13.08.2022 konnten sie Herrn Dr. Herwig Lange, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Deutschen Huntington-Hilfe e.V., als Gast begrüßen. Herr Pertek hat zu diesem Gruppentreffen zwei Räume reserviert, einen für persönliche Gespräche und einen für den Vortrag von Dr. Lange.
Dr. Lange begrüßte die Anwesenden mit einem freundlichen “Hallo“, und nach einem kurzen Smalltalk startete er seinen gut zweistündigen Vortrag. Hierbei informierte er die anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die verschiedenen Aspekte der Huntington-Krankheit.

In einem historischen Rückblick sprach er über den menschenverachtenden Umgang mit Huntington-Erkrankten in Deutschland während der Nazizeit. Er verwies auf das “Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933“, in dem die Huntington-Krankheit als erblicher Veitstanz (erbliche Chorea) explizit aufgeführt wurde. Die Folgen dieser Gesetzgebung sind vielen bekannt: Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen, darunter auch Betroffene der Huntington-Krankheit, wurden zwangssterilisiert, einer fragwürdigen medizinischen Forschung zugeführt und ermordet. Die nachdenklichen Gesichter der Anwesenden zeigten die Wirkung der vorgetragenen Worte.

Dr. Lange erörterte den Erbgang der Huntington-Krankheit, die Funktion des Huntingtin-Gens und die Bedeutung des CAG-Repeats. Das Gen hat eine wichtige Funktion bei der Entwicklung des Gehirns und die übergroße CAG-Repeatlänge ist für die Manifestation (Entstehung) der Huntington-Krankheit verantwortlich.
Spannend war seine Aussage zur Länge der CAG-Wiederholung. Ab einer bestimmten Länge, mehr als 42 CAG, muss man mit Ausbruch der HK rechnen – je mehr CAG, desto früher. Hier berichtete er über eine Diskussion in der internationalen Huntington-Gemeinschaft zum “intermediären Bereich von 278 – 42 CAG. So wird gefordert, die Huntington-Krankheit schon dann als manifest zu definieren, wenn eine CAG-Repeat-Expansion von größer als 26 vorliegt und andere Ursachen der Symptome ausgeschlossen sind.

Zur Prävalenz (Prävalenz bezeichnet die Anzahl der Erkrankten, untersucht in einer bestimmten Gruppe und zu einem bestimmten Zeitpunkt) berichtete er, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit viel höher ist als bisher angenommen. CAG-Zahlen >35 finden sich bei ca. 140/100.000 Personen.
Auch die Entwicklungen in der Huntington-Forschung wurden beleuchtet. Dr. Lange erklärte, dass die Huntington-Forschung und damit auch die Huntington-Gemeinschaft in den letzten Jahren schwere Enttäuschungen hinnehmen musste. Er verwies in diesem Kontext auf die eingestellten Studien von Novartis (https://de.hdbuzz.net/328) und Wave (https://de.hdbuzz.net/301). Aber auch die in der Huntington-Gemeinschaft viel diskutierte und mit großer Hoffnung verbundene Tominersen-Studie des Pharmaunternehmens Roche war Gegenstand seines Vortrags. Leider wurde auch diese Studie abgebrochen. Dr. Lange erläuterte Probleme bei letztgenannter Studie, auf die er bereits früh hingewiesen habe. Er verwies auf die in der Studie beobachtete und bisher nicht erklärte Erweiterung der Ventrikelräume bei allen Altersgruppen der Studienteilnehmenden. Außerdem kritisierte er, dass das verantwortliche Unternehmen dem wissenschaftlichen Beirat bis heute keine Einsicht in das Studienprotokoll gegeben habe.

Das wichtigste Thema an diesen Nachmittag für alle Anwesenden waren jedoch die Erörterungen zum Zusammenhang von Lebensstil und dem Verlauf der Erkrankung. Ein aktiver Lebensstil scheint sich positiv auf den Verlauf der Erkrankung auszuwirken. Das Gen ist verantwortlich, aber eben nicht für alles. Erklären lässt sich das auf Grund unterschiedlicher Symptome bei Betroffenen, selbst wenn deren CAG-Wiederholung gleich sind. Dr. Lange erörterte dies an der Beobachtung eineiiger Zwillinge. Am Beispiel eines Brüderpaars veranschaulichte er dies. Bei dem Bruder, der sein Leben aktiv gestaltete und seiner Arbeit nachging, entwickelte sich die Symptomatik langsamer und nicht so ausgeprägt, wie bei dem Bruder, der sich zu viel Stress zugemutet hatte. Das deutet darauf hin, dass Umweltfaktoren und andere genetische Faktoren zu einem großen Teil für die unterschiedlichen Verläufe der Huntington-Krankheit verantwortlich sind.
Diese Aussagen beförderten die Diskussion in der Runde der Teilnehmer*innen, und Dr. Lange wurde mit Fragen eingedeckt, die er erschöpfend beantworteten konnte.

Wir bedanken uns bei Dr. Lange und seinen Besuch in unserer Gruppe. Es war ein toller Nachmittag, der allen Beteiligten viele neue Einsichten gebracht hat. Bei Fragen erreichen Sie Dr. Lange unter der Rufnummer 01712411288.

Jürgen Pertek

Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Herwig W. Lange und den Teilnehmer*innen des Treffens, die der Veröffentlichung des Gruppenfotos zugestimmt haben.