Therapie und ich
Therapie und ich
Als Betroffene interessiert es mich natürlich, was in der medizinischen Forschung im Bereich Huntington passiert. Mir ist allerdings auch bewusst, dass die Entwicklung eines Heilmittels gegen Huntington Zeit und finanzielle Mittel benötigt. Hierbei kann ich durch Teilnahme an Studien meinen Beitrag leisten. Aber kann ich als Genträgerin nicht noch mehr für mich und meine mentale Gesundheit machen? Welche Therapie kann den Ausbruch der ersten Symptome verzögern? Wie bei jeder Erkrankung sind Ernährung, Sport bzw. Bewegung und wenig negativer Stress die Hauptfaktoren, die den Verlauf beeinflussen können. Aber gibt es noch mehr Möglichkeiten, die ich als Genträgerin präventiv machen kann?
Mein Mann hatte 2013 beim Fußball einen Sportunfall mit Knochenbruch. Aufgrund der Stelle und Frakturen machten die Ärzte wenig Hoffnung, dass er wieder Fußball spielen könne. Das wäre für meinen Mann eine Katastrophe gewesen, da er, seit er laufen konnte, mit dem Fußball verbunden ist. Als worst case stand sogar die Versteifung des Knies im Raum – mit 34 Jahren! Es dauert fast zehn Tage, bis die Ärzte sich an die Operation getraut haben, weil alles so stark geschwollen war. Nach der Operation ging es zum Glück gleich mit Lymphdrainage los. Zuhause stand die Heilung des Knies im Vordergrund, was Schonung und gleichzeitig weiterleben bedeutete. Natürlich war mein Mann in dieser Zeit mit Beinschiene und Krücken sehr eingeschränkt. Er konnte nicht einfach irgendwo hingehen. Selbst der Weg zur Toilette war ein Kraftakt. Zum Glück hatten wir in der Wohnung keine Treppen, aber die Wohnung war im Dachgeschoss eines Mehrparteienhauses.
Am Anfang erschien uns dieser Umstand als unüberwindbar. Natürlich hatten wir auch überlegt, ob wir für die nächsten Monate zu seinen Eltern ziehen sollten, aber auch dort hätte es Treppen gegeben. Deshalb hat er sich nach kurzer Zeit der Herausforderung gestellt und humpelte langsam mit Krücken im Treppenhaus hoch oder runter. Es ging auch bald mit Krankengymnastik und Muskelaufbau los. Während ich tagsüber zur Arbeit ging, konnte er sich schonen und hat dann abends für uns gekocht. Außerdem habe ich ihn auch gerne beim Einkaufen der Lebensmittel mitgenommen. Sehr oft hat er sich mit Fremden auf den “Rentnerbänken“ unterhalten. Selbst im Urlaub waren wir in dieser Zeit und erzählen gerne über die Verfolgung im Rollstuhl von Jungochsen auf der Viehweide.
Was soll ich sagen? Mein Mann spielt wieder Fußball, sein Knie ist zu 95 % genauso beweglich wie vorher. Er kommt halt nur mit der Ferse nicht an den Po, aber das kann er mit dem anderen Bein auch nicht. Bei Knochenbrüchen gehören Krankengymnastik, Lymphdrainage und Muskelaufbau zu den klassischen Therapieformen. Allerdings trugen meiner Meinung nach auch viele andere Faktoren zu seiner Genesung bei. Ich habe immer an ihn geglaubt, ihn nicht zuhause versauern lassen. Regelmäßig musste er Quarkwickel für das Knie über sich ergehen lassen. Seine Operationsnarbe habe ich regelmäßig eingecremt, so dass diese kaum sichtbar ist (trotz 30 cm Schnitt). Und wir haben trotz der Einschränkung viel unternommen, inklusive Sommerurlaub. Wenn ich so darüber nachdenke, könnte ich ebenfalls Massagen, Ergotherapie, Psychotherapie, etc. in dieser Zeit aufzählen. Hätte mein Mann sich in dieser Zeit vorrangig geschont, wäre die Verletzung sicherlich nicht so gut geheilt.
Was ich damit sagen möchte, ist: Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Therapieformen. Bei einer Therapie kann man unterscheiden zwischen der allgemeinen Therapie, die sich am Gesamtzustand des Patienten orientiert und der speziellen Therapie, die auf konkrete Details der Symptomatik eingeht.
Ich für mich konzentriere mich aktuell noch auf die symptomatische, kurative und/oder präventive Therapie. Ich versuche auch meinen Körper als Ganzes zu sehen. Hierbei spielt auch der mentale Zustand eine wichtige Rolle. Deshalb nutze ich verschiedene Therapieformen und konzentriere mich nicht nur auf eine bestimmte Art. Aktuell gehe ich regelmäßig zur thailändischen Massage, weil dort alle Muskeln durchgeknetet werden. Bei der Osteopathie werden meine körperlichen Blockaden regelmäßig gelöst und beim Psychotherapeuten meine Trigger bearbeitet. Meine Ernährung habe ich letztes Jahr komplett umgestellt, womit auch mein täglicher, persönlicher Stress “Was essen wir heute?“ reduziert hat. Ich bewege mich täglich bei jedem Wetter mit unserem Hund draußen. Ich lese viel und versuche mein Gehirn auf Trab zu halten. Sicherlich werden irgendwann noch regelmäßige Medikamenteneinnahme, Logotherapie und Ergotherapie hinzukommen. Vielleicht kann ich diesen Zeitpunkt aber noch etwas hinauszögern. Auf jeden Fall versuche ich mir regelmäßig etwas “Gutes“ zu tun und nicht zu streng mit mir und meinem Körper zu sein. Meine beste Therapie ist sowieso das Meer. Und was ist eure beste Therapie?
Eure Doris
Juli 2023
PS: Schreibt mir gerne an doris@dhh-ev.de