
Hormone und ich
Blog: Huntington & ich
Hormone und ich

Wie einige regelmäßige Leser meiner Texte wissen, gehörte meine Mutter zu einen der ersten Patienten, die Anfang der Achtzigerjahre dank Knochenmark-Transplantation eine Leukämie-Erkrankung überlebt hat. Das Knochenmark wurde damals von Ihrem Bruder gespendet, das Immunsystem war komplett heruntergefahren und sie bekam eine Chemo- und Strahlentherapie. Außerdem war sie lange Zeit im “Zelt“ bzw. in Quarantäne. Die älteren Leser mit ähnlichen Erfahrungen können sicherlich mit meiner Beschreibung etwas anfangen.
Damals waren die Medizin und Forschung noch nicht so weit im Vergleich zu heute. Deshalb hatte meine Mutter nach der Entlassung aus dem Krankenhaus auch keine Anschlusstherapien wie beispielsweise Psychotherapie oder Hormontherapie. Sie musste lediglich alle sechs Monate zur Kontrolle der Blutwerte zum Hausarzt und bekam oft zu hören: “Sie können froh sein, dass sie das überlebt haben.“ Durch die Bestrahlung und Chemotherapie waren ihre Gebärmutter und Eileiter stark verkümmert und hatten ihren Dienst fast eingestellt. Dadurch war es auch normal, dass sie weder ihre Periode hatte und auch keine Kinder mehr bekommen konnte.
Auch ihre Schilddrüse arbeitete nicht mehr so wie bei gesunden Menschen. Deshalb musste meine Mutter sehr lange L-Thyroxin 100 mg morgens nehmen. Ihr Körper erholte sich im Laufe der Zeit immer mehr und irgendwann bekam sie sogar ihre Periode wieder. Wir waren beide ziemlich überrascht, weil sie als Mutter dann mich als Tochter um Hygieneartikel bat. Verkehrte Welt. Sie machte dann auch einen Termin bei meinem Frauenarzt, der dann auch ihren Hormonstatus untersuchte. Dabei wurde festgestellt, dass in ihrem Körper fast ausschließlich männliche Hormone waren. Man hätte viel früher eingreifen müssen.
Mittlerweile weiß ich, dass vermutlich einige typische “Alterskrankheiten“ meiner Mutter erspart hätten bleiben können, wenn sie eine Hormonersatztherapie bekommen hätte. Auf der anderen Seite gab es in den Neunzigern einige dubiose Hormontherapien mit Hormonen von schwangeren Pferdestuten, die das Risiko für bestimmte Erkrankungen erhöht haben. Heute sind die Medizin und Forschung auch in diesem Bereich weiter. Man kennt sich besser mit den einzelnen Hormonen und ihren Funktionen aus. Trotzdem sind viele Frauenärzte und Hausärzte immer noch skeptisch beim Thema Hormonersatztherapie. Deshalb bekommt man als Frau ab einem gewissen Alter lieber ein Privatrezept für Mönchspfeffer oder Yamswurzel anstatt der Patientin richtig zuzuhören bezüglich der auftretenden Symptome, um die passende Hormonersatztherapie zu verordnen, welche von den Krankenkassen bezahlt werden. Pubertierenden Frauen und Frauen mit Kinderwunsch dagegen werden meistens ohne Umwege starke Hormone verschrieben, wenn es um Verhütung oder Kinderwunsch geht. Warum nicht auch dann zu dem Zeitpunkt, wenn der Körper einer Frau sich wieder verändert?
Die Symptome bei Frauen, die von Hormonstörungen verursacht werden können, sind überaus vielfältig. Sie umfassen unter anderem unspezifische Stimmungsschwankungen, allgemeines Unwohlsein, Hitzewallungen und können von Befunden wie Gewichtsschwankungen, Veränderungen des Haarwuchses, Zyklusstörungen und Milchausfluss aus der Brust begleitet sein. Das sind nur einige typische Symptome, die vielen bekannt sind. Aber wussten sie auch, dass Schlafstörungen, Wortfindungsstörungen, Verdauungsstörungen, Unverträglichkeiten oder Osteoporose ebenso vorkommen können.
Wer jetzt denkt, dass Thema betrifft nur uns Frauen, der irrt leider. Auch Männer können im Laufe des Älter werden einen Mangel an Hormonen bekommen. Natürlich spricht man in diesem Fall nicht von Wechseljahren, sondern von der Midlife-Crisis. *Spässchen*
Ganz ernsthaft, auch bei Männern sollte der Hormonspiegel im Auge behalten werden.
Bei Männern kommt es oftmals zu Müdigkeit, depressiver Verstimmung, vermehrtem Schwitzen, Schlaflosigkeit und Gewichtsveränderungen sowie Verlust der Muskelmasse, Erektionsstörungen und Impotenz. Ein lange bestehender, ausgeprägter Hormonmangel kann zu Komplikationen wie Osteoporose und Stoffwechselveränderungen führen.
Sie sehen also, unser Hormonspiegel sollte ebenso regelmäßig kontrolliert werden wie andere Vitalwerte oder die Leukozyten. Zumindest wenn man seinen Status quo langfristig erhalten möchte. Früher wurden die Menschen nur 40 oder 50 Jahre alt. Mit 60 Jahren gehörte man definitiv zum „Alten Eisen“. Mittlerweile ist man mit 40 oder 50 Jahren gerade in seiner Lebensmitte angekommen und gehört mit 60 Jahren zu den Best Agern.
Natürlich bin ich immer noch Genträgerin und ich kann meinen Genen nicht entkommen. Doch hier mein großes Aber: Die Medizin und Forschung entwickelten sich immer weiter. Auch den Fachleuten liegen immer mehr Informationen und Studien vor. Wir wissen auch, dass Genträger mit Symptomen durch die passenden Medikamenten gut geholfen werden können, zumindest was den Status quo angeht. Warum also nicht auch bei den Hormonen proaktiv ansetzen? Die Fachärzte dafür nennt man Endokrinologen.
Wer also wie ich schon längere Zeit unter Schlafstörungen, Wortfindungsstörungen, Hitzewallungen und Wutausbrüchen leidet, sollte auch seinen Hormonstatus prüfen lassen. Nicht immer muss bei oben genannten Symptomen direkt die Huntington-Krankheit ausgebrochen sein. Lieber man unterstützt seinen Körper mit einer Hormonersatztherapie anstatt mit neurologischen Tabletten mit ihren bekannten Nebenwirkungen. Zur Verhütung von Schwangerschaften werden schließlich auch Hormone genommen. Also warum nicht auch Hormone zur Verhütung von Osteoporose. Und wann haben Sie ihren Hormonspiegel das letzte Mal überprüfen lassen?
Eure Doris