Erbe und ich

Diesmal schreibe ich über ein für mich besonderes Thema, welches mich dieses Jahr ziemlich viel Energie gekostet hat. Bei dem Begriff Erbe denken viele vermutlich an Testament, Nachlass und Erbschaft. Für mich besteht ein Erbe allerdings nicht nur aus materiellen Dingen wie Immobilien, Schmuck, Geld oder Teppichen. Vielleicht haben einige von euch in ihrem Leben schon etwas geerbt. In Deutschland wird man entweder durch ein Testament oder per gesetzliche Erbfolge zum Erben. Man hat in der Regel ab dem Zeitpunkt der Kenntnis sechs Wochen Zeit, die Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen. Das gilt bei einem Erbe im Hinblick auf materielle Dinge.
Erbe kann allerdings auch etwas anderes bedeuten. Schon bei unserer Zeugung erben wir einen bestimmten Genpool von unseren Eltern. Hierbei hat der Nachkomme nicht die Möglichkeit das Erbe auszuschlagen. Als Nachkomme können wir nur versuchen, das Beste aus unseren Genen zu machen.

Auch bei der Erziehung und unserer Kindheit erben wir viele Kleinigkeiten, die uns prägen und heranwachsen lassen. In vielen Familien gibt es bestimmte Wörter für Speisen, Tiere, Möbelstücke, etc., die nur die Angehörigen dieser Familien verstehen. Es gibt Traditionen, die schon seit Jahrzenten in einigen Familien gepflegt und weitergegeben werden. Für Außenstehende können diese Traditionen irritierend wirken. Oder man bekommt von seiner Großmutter auf dem Sterbebett das Familienrezept für die Schokoladenkekse mitgeteilt, die man als Sechsjährige immer so gerne zu einem Glas Milch gegessen hat. Dann ist es die Aufgabe des Erben, dieses Familienrezept an die nächsten Generationen weiterzugeben. Vermutlich sind viele Familienrezepte so allerdings auch verloren gegangen.

Es gibt also viele Sachen, die man erben oder vererben kann. Ich habe von meiner Großmutter und danach von meiner Mutter das Huntington-Gen vererbt bekommen. Ich wurde weder gefragt, ob ich das Erbe haben möchte, geschweige denn konnte ich das Erbe ausschlagen. An sich wäre es mir lieber gewesen, meine Großmutter bzw. meine Mutter hätte mir das Familienrezept von den Schokoladenkeksen verraten bzw. vererbt. Ich kann versuchen, das Beste aus diesem Erbe mit dem Huntington-Gen zu machen. Ähnlich wie meine Familie, vermutlich waren es die weiblichen Vorfahren, die Schokoladenkekse über Jahrzehnte hinweg immer schokoladener gemacht haben.
Das Erbe meiner Großmutter bzw. von meiner Mutter (und auch von meinem Vater) beinhaltet nicht nur das Huntington-Gen. Der geerbte Genpool beinhaltet auch viele andere Dinge: Haarfarbe, Augenfarbe, Hautfarbe, etc. Von meinem Vater habe ich viele Charaktereigenschaften geerbt, ob ich will oder nicht. Manche nehme ich bewusst wahr, manche Muster habe ich unbewusst übernommen. Letztlich zählt für mich, wie ich mit dem Wissen über mein Erbe umgehe und was ich den nächsten Generationen hinterlassen.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Start ins neue Jahr 2022.

Eure Doris

Oktober 2021